WiYou.de - Ausgabe 02/2014 - page 35

WiYou . Wirtschaft und Du . Ausgabe 2­2014
Foto: kotoyamagami/fotolia
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Maximilian, das Thema sexuelle Vielfalt gehört
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laut Lehrplan also zum Unterricht. Was sagst du zu
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dieser Thematik?
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Maximilian:
„Ich hatte es fast gar nicht, nur einmal
ganz kurz im Religionsunterricht. Aber in keinem ande­
ren Fach wurde bei mir darüber geredet. Es war nie
Thema in Deutsch oder Sozialkunde, das habe ich so
auch von anderen Schülern gehört.“
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Es steht laut Ministerium im Lehrplan, kommt aber in der Umsetzung
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nicht, oder zumindest nicht flächendeckend, bei den Schülern an.
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Ist es somit auch in Thüringen ein Problem?
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Maximilian:
„Es ist hier ein Problem. Es ist überall ein Problem. Ich und auch
der Rest der LSV halten dieses Thema für absolut diskussionswürdig.“
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Ihr redet als Schüler untereinander darüber?
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Maximilian:
„Natürlich. Rein statistisch ist es ja sowieso so, dass einer aus je­
dem Jahrgang homosexuell – oder nicht heterosexuell – veranlagt ist. Früher
war das ein Tabuthema, aber heute gehört es für uns eben dazu und ist ge­
nauso wichtig, wie das neueste Handy.“
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Und warum sollte es im Unterricht stärker einbezogen werden?
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Maximilian:
„Bei solchen Diskussionen unter Schülern merkt man oft die
Unwissenheit. Es gibt Schwule, Lesben, Bisexuelle, Transsexuelle und noch an­
dere Formen der Sexualität. Aber viele wissen nicht, was das ist. Auch von zu­
hause nicht, weil die Eltern genauso wenig darüber Bescheid wissen. Oft wird
es immer noch als Krankheit oder als eine Sache, die man sich aussucht, ge­
sehen. Um dem entgegenzuwirken, damit da ein breiteres Verständnis wächst
und die Gesellschaft an sich toleranter wird, muss das auch einfach in der
Schule behandelt werden. Es geht ja nicht darum, irgendjemandem irgendet­
was aufzuzwingen.“
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Wie sollte die Einbindung des Themas „sexuelle Vielfalt“ denn im
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Unterricht bestenfalls aussehen?
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Maximilian:
„Zu sagen: ‚OK, heute reden wir über Homosexualität‘, ist sicher
eine Herangehensweise. Aber ich denke, wichtig ist auch, es als das zu neh­
men, was es ist: lebensnahe Realität. Warum nicht in Deutsch mal eine
Kurzgeschichte interpretieren lassen, in der es um zwei Jungs oder zwei
Mädchen als Liebespaar geht. Man muss nicht immer mit dem Hammer drauf
hauen, sondern klar machen, dass es völlig normal ist. Es wäre schön, wenn
wir darüber gar nicht mehr so riesige Diskussionen führen müssten. Aber um
da hin zu kommen, müssen wir jetzt erstmal noch viel darüber reden.“
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Denkst du, es ist auch für die Lehrer noch ein Problem, offen über
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beispielsweise Homosexualität zu reden?
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Maximilian:
„Absolut. Man merkt immer wieder, wie gerade auch ältere Leh­
rer ins Stocken kommen, wenn jemand das Wort ‚schwul‘ ausspricht und wie
sie sich selbst überwinden müssen, es zu sagen. Das ist doch schon das
Zeichen dafür, dass es Redebedarf gibt und da müssen eben auch die entspre­
chenden Pädagogen fortgebildet werden. Es ist nicht damit getan, dass man
in den Lehrplan schreibt, dass sie sich stärker damit auseinandersetzen müs­
sen. Man muss sie gezielt schulen, um zu gewährleisten, dass sie den Schülern
das Thema sexuelle Vielfalt auch auf eine passende Weise näher bringen kön­
nen. (mü)
Anfang des Jahres wurde in Baden­Württemberg viel und vor allem sehr emotional über den Entwurf des neuen Bildungsplans diskutiert. Im Mittelpunkt
stand dabei das Thema „sexuelle Vielfalt“ im Unterricht. Dessen stärkere Einbindung in den Unterricht stieß auf zum Teil sehr heftige Ablehnung in der
Bevölkerung. WiYou wollte nun einmal wissen: „Ist sexuelle Vielfalt eigentlich auch für Thüringen Schulen ein Thema?“, und hat zum einem beim Thüringer
Bildungsministerium und zum anderen bei Maximilian, einem Mitglied der Landesschülervertretung Thüringen, mal nachgefragt.
„Hetero­, Bi­ und Homosexualität werden bereits seit 1999 in den Thüringer
Lehrplänen thematisiert. Bei der Weiterentwicklung der Thüringer Lehrpläne wurde
darauf geachtet, dass die Schülerinnen und Schüler Kompetenzen zur sexuellen
Vielfalt erwerben und diese als völlig normale, gleichwertige Lebensweisen
wahrnehmen. Das Thema sexuelle Vielfalt ist ein fester Bestandteil der Thüringer
Lehrpläne. […] Verstärkt wird das Thema sexuelle Vielfalt in den weiterführenden
Schularten in den Fächern Mensch­Natur­Technik, Ethik, Biologie und Sozialwesen
behandelt. Dabei stehen nicht nur die rein biologischen Merkmale der
unterschiedlichen sexuellen Ausprägungen im Vordergrund, sondern auch der offene
und tolerante Umgang mit den verschiedenen Formen von Sexualität.“
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Das Ministerium erklärt:
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Sexuelle Vielfalt –
Was gayt im Thüringer Unterricht?
Du hast in deiner
Schule andere Erfahrungen
gemacht? Dann erzähl
uns davon!
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