WiYou.de - Ausgabe 02/2014 - page 15

Zusätzlich finden überbetriebliche Lehrgänge im Bundesausbildungszentrum
der Bestatter in Münnerstadt statt.
Dort gibt es Hygieneräume, eine Werk­
statt, IT­Arbeitsplätze und den weltweit einzigartigen Lehrfriedhof. Anja er­
klärt: „Ein Bestatter kann im Alltag ja nicht wirklich üben, das wäre einfach zu
pietätlos. Dafür fahren wir dann nach Münnerstadt. Dort lernen wir typische
Handgriffe, etwa zum Umbetten oder auch mit dem Bagger ein Grab auszu­
heben und einen Sarg hinabzulassen, das wäre auf einem richtigen Friedhof
auch nicht sehr respektvoll. Außerdem gibt es auch eine Art Kapelle, in der
das Dekorieren geübt werden kann, sowie Seminare zu Trauergesprächen.“
Die seien im Alltag später immer eine besondere Herausforderung. „Man
muss viel Menschenkenntnis besitzen und sehen, was der Gegenüber jetzt ge­
rade braucht. Natürlich hilft einem da mit der Zeit die Erfahrung. Aber man
muss psychisch belastbar und
sehr empathisch sein.“ Übri­
gens: In einem Bestattungs­
unternehmen darf auch mal
gelacht werden. „Das muss
sogar manchmal sein. Natür­
lich nur, wenn es nicht unan­
gemessen ist, aber wir sind
ja auch nur Menschen und
können nicht den ganzen Tag mit ernster Miene herumlaufen.“
Bestatter haben zwar feste Arbeitszeiten, aber sie müssen im Trauerfall auch
mal nach Dienstschluss oder in der Nacht los.
„Wir haben regelmäßig Bereit­
schaftsdienst, wo wir dann 24 Stunden lang erreichbar sein müssen. Außer­
dem finden viele Trauerfeiern an Samstagen satt, aber das stört mich nicht“,
meint Anja und auch für Falko ist das kein Problem. „Dafür gibt es dann an an­
derer Stelle ja einen Freizeitausgleich.“
Für Anja und Falko steht fest, sie haben zwar einen Beruf, der nicht alltäglich
und auch nicht für jeden geeignet, für sie aber ein sehr schöner ist.
Beide
wollen auch auf jeden Fall weiter als Bestattungsfachkraft arbeiten. Es gäbe
verschiedene Weiterbildungsmöglichkeiten. „Als Thanatopraktiker zum
Beispiel“, erklärt Anja. „Da geht es ums Einbalsamieren, was für Rekons­
truktionen und Überführungen ins Ausland wichtig ist, das wäre für mich noch
sehr interessant. (mü)
WiYou . Wirtschaft und Du . Ausgabe 2­2014
Handwerk
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Bestattungsfachkräfte organisieren Beisetzungen, Bestattungen und
Trauerfeiern, betreuen Angehörige und kümmern sich um anfallende
Formalitäten.
Dauer: 3 Jahre
Voraussetzungen: psychische Belastbarkeit, Einfühlungsvermögen, Fein­
gefühl, Verständnis, Geduld, Verschwiegenheit, Interesse an kaufmän­
nisch­organisatorischen Aufgaben, Sinn für Ästhetik
Chancen: Neben verschiedenen Spezialisierungen, zum Beispiel im
Bereich Umweltschutztechnik, Thanatologie oder Management, sind
Meister oder Fachwirt mög­
lich, ebenso der Schritt in
die Selbstständigkeit.
„Das fängt natürlich schon beim Sarg an“, erklärt Anja.
„Wir sind zum Beispiel
auch in der Lage, einen Sarg selbst mit Stoff auszuschlagen, Griffe und Füße
anzubringen oder ihn für Überführungen vorzubereiten.“ Dafür brauche man
etwa auch handwerkliches Geschick sowie betriebswirtschaftliches Wissen,
wenn es um Kosten und Rechnungen geht.
Trotzdem steht die Arbeit mit dem Menschen im Vordergrund, und zwar
nicht nur mit dem Verstorbenen.
„Wenn das Bestattungsinstitut mit der
Abholung eines Verstorbenen beauftragt wird, fahren immer drei Bestattungs­
fachkräfte gemeinsam los“, erzählt Falko. „Wir müssen uns dann erstmal den
Totenschein ansehen und entscheiden, ob wir ihn mitnehmen dürfen.“ Es gibt
strenge Vorschriften, an die sie sich dabei halten müssen. Neben der Todes­
ursache spielt der Infektionsschutz eine große Rolle. „Wenn jemand an einer
ansteckenden Krankheit litt, müssen wir bestimmte Vorsichtsmaßnahmen zur
Desinfektion treffen.“
„Während sich zwei von uns um den Verstorbenen kümmern und ihn in den
Sarg betten, ist einer auch immer für die Hinterbliebenen da“, erklärt Anja.
„Die wichtigste Aufgabe ist, die ersten Emotionen abzufangen. Man nimmt
sich die Zeit, die die Angehörigen brauchen und beantwortet schon erste Fra­
gen zur Organisation. Zum Beispiel, welche Dokumente für die Beurkundung
beim Standesamt gebraucht werden.“ Dafür brauche man auf jeden Fall viel
Einfühlungsvermögen und Fingerspitzengefühl. Und man müsse natürlich
auch selbst mit dem Thema Tod umgehen können.
Auch wenn Anja und Falko nun schon seit einigen Jahren dabei sind, gibt es
immer wieder Fälle, die auch den beiden besonders an die Nieren gehen.
„Wenn ältere Menschen sterben, kommt man damit besser klar, die haben ihr
Leben gelebt. Aber wenn es um Kinder geht, dann ist das nicht so einfach“, er­
zählt Anja. „Uns hilft es, wenn wir dann im Nachhinein miteinander darüber
reden können.“ Ansonsten gewöhne man sich aber schon daran, täglich mit
Verstorbenen zu tun zu haben. „Es klingt vielleicht erstmal unverständlich,
aber dieser Beruf hat gerade dabei auch schöne Seiten. Ich mag es besonders,
wenn ich die Verstorbenen gewaschen und wieder hergerichtet habe. Sie se­
hen dann so aus, als würden sie ganz friedlich schlafen und die Hinterblie­
benen können sich angemessen verabschieden. Man merkt oft, wie viel man
damit für sie tun kann.“
Anja hat dabei übrigens oft noch mit einem ganz anderen Problem zu kämp­
fen.
„Viele erwarten, dass ein Bestatter ein Mann ist. Wenn dann eine junge
Frau kommt, sind manche zwar auch positiv überrascht, aber immer wieder
treffe ich auch auf große Skepsis. Dann muss ich erstmal beweisen, dass ich
was kann.“ Zum Beispiel bei der Organisation der Trauerfeier. „Auch das gehört
zu unserer Arbeit. Man bespricht mit den Angehörigen die Art der Bestattung
und berät, wenn noch irgendwo Hilfe gebraucht wird.“ Dazu müsse man sich
selbst natürlich damit auskennen.
„Die Theorie, die hinter dem Beruf Bestattungsfachkraft steckt, ist nicht zu
unterschätzen“, findet Falko.
Er besucht regelmäßig die Berufsschule in Bad
Kissingen – jetzt im dritten Lehrjahr noch einmal für insgesamt neun Wochen.
„Man lernt dort alles über Bestattungsverträge, Materialien, Dienstleistungen,
die zum Beruf gehören, wie man Bestattungen und Trauerfeiern plant, Dekora­
tion und Ausstattung, Kommunikation, Psychologie, welche Hygienerichtlinien
man einhalten muss, welche Gesetze wofür gelten, Pflanzenkunde, Bepflan­
zung, wie Friedhöfe verwaltet werden und auch, was zur Führung eine Be­
stattungsunternehmens aus betriebswirtschaftlicher Sicht dazu gehört.“
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